umspannen ist eine Ausstellung von
Gerald Nestler im Kunstraum PLATTFORM - Raum für Kunst.
Sie stellt Thematiken
und Praktiken globaler Ökonomie in den Mittelpunkt
einer
Untersuchung
und Transformation durch Methoden und Praktiken der Kunst.
umspannen bezieht sich auf ein von Gerald
Nestler konstruiertes Verhältnis zwischen
Ökonomie und Kunst,
in dem beide Systeme als einerseits spartenübergreifend
und andererseits
als transformierend gesehen werden.
Die
Ausstellung unternimmt die Approbation eines exemplarischen ökonomischen
Modells (Optionen), indem es dessen Parameter, konzeptionelle
Grundmuster
und 'ideelle Konfiguration' im Sinne der Kunstformen Zeichnung"
definiert.
Dabei wird auch eine Form des Kunsthandels, die "Edition",
einer spielerischen Neubewertung und Umwertung durch ökonomische
Strategien unterzogen, wodurch sich unter anderem die Limitierung
der
Auflage zu einer zeitlichen Limitierung verändert.
Die Besucher sind eingeladen, an einem "Optionshandel",
der einer Wette gleichkommt, teilzunehmen.
Kontext und Raum der Galerie werden durch verschiedene Formen
von "Projektion"
und "Zeichnung" verlassen. Die Ausstellung bezieht
den öffentlichen
Raum Schwedenplatz und Donaukanal durch Projektion nach außen
und
den virtuellen Raum der Börsenspekulation über ein Echtzeit-Handelssystem
für Börsentrader,
das von Bloomberg Financial Services zur Verfügung
gestellt wird, mit ein.
Nestler macht künstlerisches und ökonomisches
Schaffen von Werten,
die sich im öffentlichen Leben vollziehen, jedoch
nahezu konträren Bedeutungen folgen, sichtbar.
Option und Zeichnung
Der Begriff der "Option" bezieht sich generell auf ein Vorhandensein
von Wahlmöglichkeit und Variationen.
Im ökonomischen Feld bezeichnet
"Option" jedoch eine spezifische Form des derivativen Börsenhandels,
der einen wesentlichen Aspekt der internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte
darstellt.
Der Begriff der "Zeichnung" bezeichnet eine Technik der Kunst,
wird aber auch in der Wirtschaft
– und darin unter anderem in Bezug auf den Optionshandel
verwendet – und bezeichnet dabei
den Kauf oder Verkauf einer/mehrerer
Option(en). Eine Option wird gezeichnet.
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Optionen sind 'Wetten' auf die Richtung der Marktentwicklung
mit Zielpunkt zur Landung (strike price), Fallschirmspringen nach
oben und unten mit offener Flugrichtung (call/put),
verdoppelte
Koordinatensysteme. Der Aufprall neben dem Zielpunkt kann (Geld)vernichtend
sein.
Die Zeit rinnt davon (decay with time).
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<< drawing options
Nestler zeichnet nun ebenfalls Optionen – Options – und wertet damit die Drundmuster,
sozusagen die 'platonischen
Ideen' dieses Systems, zu offenen, künstlerischen Möglichkeiten
um,
verwertet sie zu 'minimalistischen' Kunstwerken.
Die Börsenbezeichnungen
der Optionen – wie "Bear Spread", "Long Butterfly"
oder "Short Strangle"
– werden als konkrete Poesie integriert,
die Blätter nochmals "gezeichnet" – signiert.
Den Options gegenübergestellt ist eine weitere
Variante von "Zeichnung":
Ein Monitor zeigt live den Handel
eines großen Börsenmarktes
in
Form
einer sich stetig entwickelnden
und fortschreibenden Linie.
Sie zeichnet sich ständig neu, generiert
Bedeutungspunkte und -felder
und definiert Wert/Unwert, Gewinn/Verlust.
enlitement
enlitement bildet einen Raum, durch den
sich die realen Phänomene von
'Option' und 'Zeichnung'
metaphorisch
hindurchschleusen, in dem sie enthalten sind.
enlitement steht als Begriff gegen ökonomische "Verdünnung",
also die
Er-leicht-erung von gesellschaftlichen Positionen,
die sich aus der Aufklärung
(engl. Enlightenment) entwickelt haben
und heute in einer prekären
Situation sind.
Ökonomische Entwicklungen dünnen demokratische
Positionen aus
und gründen neu-feudale Beziehungssysteme, die vom
privaten Raum der
Unternehmen immer stärker in gesellschaftliche
und politische Bereiche eindringen.
'Option' als Begriff wird zum Handelsraum, während er als Möglichkeitsraum
zusehends eingeschränkt wird, falls ernicht ökonomisch
auf Gewinn getrimmt wird.
Der Schriftzug enlitement wird aus dem Galerieraum auf das gegenüberliegende
Gebäude
projiziert und öffnet damit den geschlossenen Charakter
einer Ausstellung
auf den
öffentlichen Raum der Stadt - parallel
zur Öffnung in den realen Börsenhandel
durch die Live-Börsenkurve
am Monitor.
Der Schriftzug ist vom Schwedenplatz und vom Donaukanal zu
sehen.
Im Ausstellungsraum wird eine Neonarbeit gezeigt, die ebenfalls aus demSchriftzug
"enlitement" und dem 'Untertitel' "formerly Voltaire, Diderot,
Jefferson et al incorp." besteht.
Options als Edition
Börsenoptionen sind durch bestimmte
Parameter definiert:
"Strike Price", "Prämie",Zeitwert ("lifetime/expiry date"), Größe ("contract
size")
und das Asset, auf dem sie basieren ("underlying instrument").
Während der Ausstellung werden diese Parameter
für die Auflage
einer Edition der Options herangezogen:
Jedes Blatt stellt einen "ideal contract" dar, hat einen "Strike
Price",
wobei das "lifetime/expiry date" durch die Ausstellungsdauer
bestimmt wird.
Die Prämie bedient den Verkäufer. Es gibt hinsichtlich
der Auflage keine Limitierung,
diese wird auf die zugrunde liegenden
Instrumente bezogen (20+1 Grundformen).
Der Wert eines Kontraktes ändert sich während
der Laufzeit
der Ausstellung
nach Angebot und Nachfrage der Idealformen
im Verhältnis
zum Börsenwert,
der am Monitor gezeigt wird. Welche
Grundform entsprach dem realen Verlauf am ehesten,
welche Zeichnung korrespondiert
mit dem Zeitgeist eines Börsenmonats?
Jeder Besucher ist eingeladen, seine Wette abzugeben.
Als Edition kann der Besucher ein bzw. mehrerer Blätter gegen
eine
Prämie erwerben. Diese Blätter unterliegen ebenfalls
einem Clearing
im Sinne ihrer derivativen Entwicklung.
Am Ende der Ausstellung wird abgerechnet, was zu Wettgewinn und -verlust
für Käufer (Sammler) und Verkäufer
(Künstler) führen kann.
Da der Schreiber (Verkäufer) jedoch
über bestimmte Vorteile (Know-how) verfügt,
ist die Wahrscheinlichkeit
eines Verlustes für diesen gering.
Der Käufer wird im Normalfall
einen Verlust tragen.
Als Besitzer des Optionsscheines verfügt er
aber über das Recht
und das Glück im Besitz eines bzw. mehrerer
Kunstwerke(s) zu sein,
die diesen Verlust, jedenfalls ideell, wettmachen
(Kunstkauf).
Diese Form der Edition unterscheidet sich offensichtlich und
grundlegend von bekannten Formen (z.B. Art der Beschränkung der
Auflage)
und spielt somit die Transformation des Börsenmarktes in
ein Kunstwerk zurück
in den (Kunst)Markt (als
Idee, als Konzept der Kunst bzw. der Vermarktung von Kunst).
In Form einer Kunstedition
erscheint
die Option als Edition
und damit
die Edition als Option.
Gerald Nestler
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